"Nach unendlichem Leid sind die Beziehungen zwischen Polen und Deutschland heute besser als zuvor", stellte Pieper fest. Etwa zwei Drittel aller Polen, so die Generalkonsulin, bewerten das Verhältnis zu ihrem westlichen Nachbarland in Umfragen als positiv. Auch die ökonomische Verflechtung ist hoch: Für Polen ist Deutschland der größte Handelspartner und für Deutschland ist Polen der eindeutig wichtigste osteuropäische Partner. Vor allem für die deutschen Mittelständler sieht Pieper gute Rahmenbedingungen, um die wirtschaftliche Kooperation noch zu intensivieren. "In Polen herrscht eine Kultur der Selbstständigkeit und des Zupackens", sagte die ehemalige FDP-Generalsekretärin. Deshalb gebe es inzwischen mehr polnische Gründer in Deutschland als umgekehrt, aber auch unternehmerische Initiativen aus Deutschland fielen in Polen auf fruchtbaren Boden. Auch der Bildungsbereich, etwa beim Aufbau neuer Studienmodelle, biete laut Pieper Raum für Kooperationen.
Doch Pieper betrachtet die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beziehungen nicht isoliert, sondern im historischen Kontext. Die deutsche Geschichte der Stadt Danzig, der Hitler-Stalin-Pakt, der Beginn des Zweiten Weltkrieges auf der Danziger Westerplatte, die polnische Solidarnosc-Bewegung und ihre Vorbildfunktion für die friedliche ostdeutsche Revolution: All dies prägt das kollektive polnische bzw. Danziger Gedächtnis. Das gemeinsame Erinnern sei auch für das Generalkonsulat eine wichtige Aufgabe. Doch aus dieser wechselvollen Geschichte ist Polen als ein Land hervorgegangen, dessen Bewohner Europa sehr zugewandt sind, wie Pieper ausführte. Die Zustimmung für den europäischen Einigungsprozess liegt in der polnischen Bevölkerung laut Umfragen bei über 80 Prozent und damit weit höher als in Deutschland.
"Kommen Sie nach Polen und machen Sie sich vor Ort selbst ein Bild", lud Pieper die anwesenden Unternehmer schließlich ein. Und Gastgeber Sierke nahm ihr zuvor ausgesprochenes Gesprächsangebot im Hinblick auf Formen der Bildungszusammenarbeit an.
Zur Person
Cornelia Pieper (Jahrgang 1959) hat Sprachwissenschaften (Polnisch/Russisch) in Leipzig und Warschau studiert und dabei in Warschau Kontakte zur aufkeimenden Solidarnosc-Bewegung geknüpft. Ihre politische Laufbahn begann 1990 und führte sie 1998 für die FDP in den deutschen Bundestag, dem sie bis 2013 angehörte. Von 2001 bis 2005 war die Diplom-Sprachmittlerin als Generalsekretärin sowie von 2005 bis 2011 als stellvertretende Bundesvorsitzende ihrer Partei tätig. Von Oktober 2009 bis Dezember 2013 arbeitete sie als Staatministerin im Auswärtigen Amt und koordinierte dort die deutsch-polnischen zwischengesellschaftlichen Beziehungen für die Bundesregierung. 2014 wurde sie zur Generalkonsulin in der polnischen Stadt Danzig bestellt.